Eisenbahn-Reisen 1928

 

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Der folgende Artikel erschien am 25.09.1986 im Münchner Merkur

Nach Starnberg fuhren manche Züge nur bei schönem Wetter

Nachdruck eines Kursbuchs aus dem Jahr 1928 - Anno dazumal ging's langsamer: Eine Fahrt nach Rom dauerte mindestens 24 Stunden

Am 28. September tritt der Winterfahrplan in Kraft, der für die meisten unter uns keine wesentlichen Änderungen in der Reisegeschwindigkeit bringen wird. Doch welcher Fortschritt ist hier seit der Zeit der Weimarer Republik zu verzeichnen?

Schlägt man etwa im "Amtlichen Kursbuch Bayern, rechts des Rheins" von 1928 (die linksrheinische Pfalz gehörte noch zu Bayern) die Fahrplantabelle der Strecke Regensburg - Landshut - München auf, so bemerkt man zunächst, daß das Zugangebot weit geringer war; verkehren heute z. B. von Freising nach München an Werktagen fast 40 S-Bahnzüge sowie 21 Schnell- und Bezirkszüge, so waren es 1965 (bevor es den MVV gab) insgesamt 33 und 1928 gar nur 12 Verbindungen. Insbesondere sucht man einen gegen 7 Uhr in München ankommenden Personenzug vergebens. Ein Pendeln zum Arbeits- oder Ausbildungsplatz, wie es heute vielfach üblich ist, kannte man vor dem 2. Weltkrieg offenbar kaum - kein Wunder, wenn man von Freising nach München mit dem Personenzug eine Stunde brauchte (die S-Bahn schafft's in 40 Minuten).

Aus Fahrzeitgründen mußte man sich wohl auch im Freizeitverhalten einschränken: Zwar gab es ein reiches Fahrplanangebot an Sonntagen von München nach Starnberg; einige Züge verkehrten nur bei gutem Wetter ("Die Abfertigung der nur für gutes Wetter vorgesehenen Züge wird auf den Stationen durch rot-gelbe Fahne angezeigt"). Auch Meran war nur 8-9 Stunden entfernt; jedoch war man nach Rom 1 Tag und 1 Nacht unterwegs (mit dem Alpen-Express heute: 12 1/2 Stunden). Den
Tagesausflug in den Bayerischen Wald haben Reisegeschwindigkeit und ungünstige Anschlüsse verhindert.

Nach Hamburg gab es genau drei Züge, einen tagsüber, zwei nachts. Heute geht's dank Intercity stündlich und fast doppelt so
schnell.

Nicht nur über die Mobilität der Bevölkerung gibt das historische Kursbuch Auskunft, sondem es ist auch Zeuge der Geschichte: Unter der Fahrplantabelle für Verbindungen in das linksrheinische Gebiet findet man den Hinweis "Bei Reisen in
das besetzte Gebiet ist Personalausweis mit Lichtbild oder deutscher Reisepaß erforderlich." Seit dem 1. Weltkrieg nämlich waren das linke Rheinufer und Brückenköpfe auf dem rechten von Alliierten besetzt; im Juni 1930 wurde das Rheinland endgültig geräumt.

Von München über Hof nach Berlin (Anhalter Bf) gab es vier Schnellzugverbindungen; heute gibt es nur noch eine einzige. Interessant dabei ist der Vergleich der Reisezeiten: von München bis Hof braucht ein Schnellzug heute 3 3/4 Stunden, damals gut 5 1/4 Stunden (also über 40% mehr); von Hof nach Berlin aber spart man im Vergleich zu 1928 keine Minute, immer noch rattert der Zug mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 66 km/h durch das Gebiet der DDR.

Zusätzlich zu den Schnellzügen (1.-3. Klasse) gab es 1928 auch noch die auf kleineren Stationen durchfahrenden "Beschleunigten Personenzüge" (entsprechend dem heutigen Eilzug), die auch die 4. Wagenklasse führten und oft weite Strecken (z. B. München-Leipzig) zurücklegten - heute nur noch ein Stück Verkehrsgeschichte.

Was wohl die Zukunft bringen mag? Während im Nahverkehr Reisezeitverkürzungen wohl kaum noch möglich sind, wird
vielleicht im mittleren Fernverkehr der umweltfreundliche ICE sogar das Flugzeug verdrängen?

Der Nachdruck des Amtlichen Kursbuchs Bayern 1928 ist im Verlag Ritzau Landsberg-Pürgen erschienen.

Franz Josef Strobl
 

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