Eisenbahn-Geschichte Dillingens

 

www.strobl-f.de/fahrpdlg.html

Überblick 

Entstehung der Donautalbahn im Jahre 1876
Reisemöglichkeiten zur Postkutschen-Zeit
Die Vollendung der Donautalbahn bis Donauwörth
Die Glanzzeit der Nebenbahnen
Die Zeit um den zweiten Weltkrieg
Die Zeit seit 1950

Nebenstehend: Bahnhof Dillingen 2001 (Foto: Strobl)

Entstehung der Donautalbahn im Jahre 1876

Auskunft über die Eröffnung und die ersten Fahrpläne der Donautalbahn erhält man aus alten Zeitungen, hier dem Donau-Boten. Dieser erschien damals viermal wöchentlich und hatte einen Umfang von etwa vier Seiten. Die Ausgabe vom 19.8.1876 berichtete ungefähr eine halbe Spalte über politische Nachrichten (darunter über die Eröffnung des Festspielhauses in Bayreuth; es war die Zeit von Ludwig II, einem Förderer Richard Wagners).

Über die Eröffnung der Dillinger Bahnstrecke - zunächst nur von Neuoffingen (in der Nähe von Günzburg) bis Höchstädt - wird folgendes berichtet:
"Die Bahnlinie von Neu-Offingen nach Höchstädt ... wurde am 15. Aug. dem öffentlichen Verkehre übergeben. Durch Gesetz vom 29. April 1869 genehmigt, konnte die ganze obere Donauthalbahn ... von Höchstädt nach Donauwörth nicht schon jetzt dem Verkehr übergeben werden, da die Verlegung des Bahnhofes in Donauwörth nicht allein durch Einführung der projektirten Bahn von Treuchtlingen, sondern mit Rücksicht auf den Anschluß der Donauthalbahn begründet wurde und dessen Herstellung aus dem Grunde verzögert wurde, als die hierzu nothwendigen Geldmittel erst auf verfassungsmäßigem Wege geschafft werden mußten.. Bis zum Spätherbste des kommenden Jahres hofft man jedoch mit dem Neubau des Bahnhofes in Donauwörth fertig zu werden, so daß der Eröffnung der Anschlußstrecke von Höchstädt nach Donauwörth ... mit den Zwischenstationen Blindheim und Tapfheim kein weiteres Hinderniß im Wege steht. Wie bekannt, war auch der Bahnanschluß bei Offingen lange Zeit unentschieden und blieb der k. Staatsverwaltung, um allen gestellten Anfoderungen gerecht zu werden, kein anderer Ausweg offen, als zwischen den Stationen Günzburg und Offingen eine neue Station, nämlich 'Neu-Offingen' zu schaffen."

"Die ganze Bahn, deren Ausdehnung sich längs des ganzen Donauufers zwischen Ulm und Passau innerhalb Jahresfrist als vollendet verfolgen läßt, vermittelt die direkte Verbindung zwischen Ulm und Regensburg und wird den Verkehr der getreidereichen Gegend um Lauingen und der industriellen Etablissements bei Dillingen fördern. Die bemerkenswerthe Brücke über die Donau bei Offingen enthält einen Strompfeiler und 2 Fluthöffnungen mit 52 Meter Stützweite, der Oberbau hat eiserne Fachwerkskonstruktion, außerdem ist noch eine Brücke über die Brenz bei Gundelfingen hervorzuheben. Die Bahnlinie ist am linksseitigen Donauufer erbaut und berührt dieselbe von Offingen aus die Ortschaften Gundelfingen (Station), Lauingen (Station), Dillingen (Station) ... und Höchstädt (derzeitige Endstation). In Zukunft mündet die Bahn über Blindheim (Station), ... Tapfheim (Station) ... im neuen Bahnhofe zu Donauwörth ein."

Neben dem notwendigen Neubau des Bahnhofs Donauwörth gab es noch einen weiteren Grund, warum die Dillinger Bahnlinie etwas später gebaut wurde:
"Die Verzögerung des Bahnbaues ist aus dem Umstande abzuleiten, daß die Linie Donauwörth-Offingen den Verkehr zwischen der Donau und der Schweiz, damit zugleich aber einen sehr erheblichen Theil des ungarisch-schweizerischen Verkehrs von den bayerischen Linien ab- und auf die Ulm-Friedrichshafener Bahn geleitet hätte und in Folge dessen erst die Fertigstellung der Ingolstadt-Augsburger Bahnlinie abgewartet werden mußte, wodurch diese Beschädigung vermieden bleibt."
Dass der Verkehr von Ungarn in die Schweiz über Dillingen hätte führen können, versteht man, wenn man betrachtet, dass damals die Alpen als Verkehrsweg relativ unwegsam, dagegen die Donau (hier gab es schon vor 1850 Dampfschiffe) sehr bequem war. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass sich tatsächlich durch die Bahnlinien Ingolstadt - Donauwörth - Dillingen - Ulm - Friedrichshafen eine Verbindung in die Schweiz ergeben hätte, wobei ab Ulm nicht die Bayerischen, sondern die Württembergischen Staateisenbahnen vom Verkehr profitiert hätten. Mit der Fertigstellung der Bahnlinie Ingolstadt - Augsburg im Jahre 1875 war dagegen über die schon bestehende Linie Augsburg - Buchloe - Kempten - Lindau eine bayerische Bahnstrecke in die Schweiz gegeben.

Der Fahrplan von 1876 zeigt vier "gemischte Züge" (also Personen und Güter) in jede Richtung. Die Fahrzeiten sind in 12-Stunden-Notation gegeben, wobei jeweils durch die Zusätze "Mgs.", "Abds." usw. angegeben ist, ob es sich um 6 Uhr Morgens oder 6 Uhr Abends handelt:



Abgang und Ankunft der Eisenbahnzüge der Linie Neu-Offingen - Höchstädt vom 15. August 1876 anfangend


Höchstädt - Neu-Offingen
Stationen Gemischter Zug I Gemischter Zug III Gemischter Zug V Gemischter Zug VII
Höchstädt
Dillingen
Lauingen
Gundelfingen
Neu-Offingen
5.50 Mgs.
6.  7    "
6.19    "
6.30    "
6.50    "
  9.20 Vorm.
  9.42    "
  9.59    "
10.14    "
10.35    "
3.50 Nachm.
4.  7    "
4.19    "
4.30    "
4.50    "
6.45 Abds.
7.  2    "
7.14    "
7.25    "
7.45    "

Neu-Offingen - Höchstädt
Stationen Gemischter Zug II Gemischter Zug IV Gemischter Zug VI Gemischter Zug VIII
Neu-Offingen
Gundelfingen
Lauingen
Dillingen
Höchstädt
7.10 Vorm.
7.32    "
7.43    "
7.55    "
8.10    "
11.20 Vorm.
11.44    "
12  -   Mittag
12.17 Nachm.
12.35    "
5.15 Nachm.
5.37    "
5.48    "
6  -   Abds.
6.15    "
8.45 Abds.
9.  7 Nachts
9.18    "
9.30    "
9.45    "

Der Donau-Bote vom 24.8.1876 berichtet Näheres über Dillingen. Auch der Sprachstil der damaligen Zeitungen ist interessant:
"Dem großen bayerischen Eisenbahnnetze ist am 15. August d. Js. durch die Eröffnung der 24,6 Kilom. langen Linie Neu-Offingen - Höchstädt a. D. wieder ein neues, wichtiges Glied eingefügt. Die Bahn wird zwar erst die volle Bedeutung erlangen, wenn man einmal die Eröffnung Neu-Offingen - Donauwörth anzuzeigen in der Lage sein wird; allein die Strecke von Neu-Offingen bis Höchstädt dürfte doch auch schon einen bedeutenden Verkehr versprechen, indem sie vier Städte berührt und durch das gewerbliche, getreidereiche, von vielen größeren und kleineren Ortschaften belebte Donauthal führt, in welchem noch 3 große Fabriken ihre Massenfabrikate zur Bahn liefern werden. Notizen über die vom Schienenstrang durchschnittene Landschaft, über die Städte und Dörfer werden nach Vollendung der ganzen oberen Donauthalbahnstrecke gewiß an die Öffentlichkeit gelangen; hier soll nur Voraus einiges Wenige von der in Mitte gelegenen Stadt Dillingen berichtet werden, was vielleicht Manchem willkommen sein dürfte.
Von Neu-Offingen aus ist Dillingen die dritte Station mit stattlichem, großem Bahnhof. Derselbe liegt auf der nördlichen Seite der Stadt, durch die große Linden-Allee von derselben getrennt. Man hat von ihm aus eine weite Ausschau über reiche Fluren, Wälder und Ortschaften."
Dillingen, Hausen und Schretzheim waren damals noch nicht miteinander verwachsen, so dass tatsächlich nördlich des Bahnhofs keine Häuser den Blick verstellten (Interessenten sei der Nachdruck einer Karte aus dem Jahre 1831 aus dem topographischen Atlas Bayern Nr. 60 empfohlen).
"Vom Bahnhof führt eine schöne, breite Straße in die große Allee, von welcher man westlich in die obere und östlich in die untere Stadt gelangt. Fußgänger kommen auf einem neuangelegten, breiten Fußwege, welcher in der Mitte der großen Allee rechts ablenkt, am Gesellenhause und an der Stadtpfarrkirche vorbei, in die Mitte der Stadt."
 
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Nebenstehend: Die Straße vom Bahnhof zur Großen Allee 2001 (Foto: Strobl)

"Dillingen, auf dem linken Ufer der Donau liegend, zählt 697 Häuser und 5034 Einwohner. Das k. Schloß, in welchem sich das Bezirksamt, das Landgericht, Rentamt, Bauamt und Forstamt befinden, ist ein großes, altes, majestätisch gelegenes Gebäude; das Lyceumsgebäude, v. J. 1688, das Gymnasiumsgebäude, erbaut i. J. 1724, das ehemalige Collegium der Jesuiten ..., das Klerikalseminar und die Akademische Kirche v. J. 1617 sind guterhaltene, schöne, großartige Gebäude.
Besucher der Stadt Dillingen wollen wir noch besonders aufmerksam machen auf die verzüglichen, von den Aerzten sehr gerühmten Bäder in der Donau, an welcher eine Badeanstalt errichtet ist ..."
 

Reisemöglichkeiten zur Postkutschen-Zeit

Auskunft gibt das Eisenbahn-, Post- und Dampfschiff-Cours-Buch von 1855:
 
Stationen Meilen Abgang Ankunft nach
Stunden
Person.
Geld
Donauwörth
     Offingen
     Pappenheim
     Regensburg

  6 1/4
  5 1/2
17 1/2

täglich 4 Uhr früh
täglich 10 1/2 U. Vm.
täglich 11 1/2 U. Abs. pr. Ingolstadt

6
5
15
G. Kr.
3   20
1     6
9   12

Die Fahrt von Donauwörth nach Offingen dauerte demnach 6 Stunden, von Donauwörth bis Dillingen also etwa 3 Stunden, so dass mit einer Postkutschen-Geschwindigkeit von ca. 10 km/h gerechnet werden kann. Fuhr man mit dieser gegen 7 Uhr durch Dillingen kommenden Postkutsche nach Offingen und nahm man von dort die Bahn nach München, so benötigte man etwa 13 Stunden für diese Reise.

Zur Entfernungsangabe 6 1/4 Meilen ist zu sagen, dass es sich nicht um englische oder See-Meilen handelt, sondern um deutsche (geographische) Meilen, wie eine Wegemaße-Tabelle aus diesem Kursbuch erklärt:
 
Maass. Auf einen Grad des Aequator = 15 geogr. Meile gehen:
...
Deutsche (geographische Meilen)
Englische Meilen à 1760 Yards
...
Oesterreichische Meile à 4000 Wiener Klafter
...
...
15
69,15
...
14,67
...

Demnach ergibt sich 1 geographische Meile zu 7,4 km. Die Maßeinheit km wurde erst seit 1875 (Gründung des Maß- und Gewichtsbüros in Paris) verwendet.

Noch interessanter ist die Betrachtung des Fahrpreises von 3 Gulden 20 Kreuzer. Hier hatte - wie die Münz-Vergleichungs-Tabelle zeigt - jedes Land seine eigene Währung (in Bayern 1 Gulden à 60 Kreuzer à 4 Pf, in Preußen 1 Thaler à 30 Silbergroschen à 12 Pf, wobei 1 Gulden = 17 Silbergroschen 1 5/7 Pf.). Die Reichsmark (1 Gulden = 1,7143 Mark) wurde 1876 eingeführt, nachdem die Bahn Gütern und Personen leichter und schneller transportieren konnte und der Wunsch nach Einheitlichkeit größer wurde.



Münz-Vergleichungs-Tabelle
Staat. Rechnungs-Münze. Werth in
Preußisch Courant.
Th. Sg. Pf.
Bayern
...
Braunschweig
Bremen
1 Gulden zu 60 Kr. à 4 Pf.
...
1 Thaler zu 24 Gr. à 12 Pf.
1 Thaler Gold zu 72 Grote
--   17   1 5/7
...
1    ---   ---
1    4     ---

Auch Adolph Freiherr Knigge rät  in seinem bekannten Buch "Über den Umgang mit Menschen" hier zu großer Aufmerksamkeit und gibt außerdem einen Eindruck vom Reisen mit der Postkutsche:
"In Teutschland hat man mehr als in anderen Ländern Ursache, wegen des sehr verschiedenen Münzfußes sich beim Geldwechseln in acht zu nehmen, und es ist etwas sehr Gewöhnliches, daß schelmische Gastwirte den Fremden dabei hintergehen oder ihm auf Gold Münze herausgeben, die er auf der nächsten Post nicht brauchen kann.
...
Es ist eine Gewohnheit der Postknechte, in allen Städten rasch zu fahren, eine Gewohnheit, die ihren Nutzen hat und gegen welche man nicht eifern soll. Ist nämlich an der Kutsche etwas zerbrechlich, so würde es besser sein, wenn es da vollends bräche und risse, wo die Hülfe nahe ist, als auf offner Straße. Hält aber das Fuhrwerk die Probe des Rasselns auf dem Steinpflaster aus, so kann man hoffen, damit an Ort und Stelle zu kommen."

Besonders aber drängt sich die Frage auf, ob die 3 Gulden 20 Kreuzer als teuer einzustufen sind. Anhaltspunkte geben hier der damalige Preis für ein Halbjahresabo des Donau-Boten (1 Gulden, heute kostet das Halbjahresabo der Donau-Zeitung ca. 240 DM) oder der Brot-Preis (hier danke ich dem Bayerischen Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung für die Auskunft), der damals für 1/2 kg Roggenbrot ca. 5 Kreuzer betrug und somit für 3 Gulden 20 Kreuzer etwa 40 Roggenbrote erhältlich waren, also in heutiger Währung mit etwa 100 DM zu rechnen sind. Das Reisen mit der Postkutsche war also durchaus sehr teuer; eine Eisenbahnreise auf der längeren Strecke von Donauwörth nach München kostete in der III. Klasse dagegen 1 Gulden 51 Kreuzer, so dass Bahnreisen zwar immer noch teuer, aber günstiger als die bisherige Postkutsche waren.

Neben den Postkutschen gab es noch Stellwagenfahrten von Dillingen nach Donauwörth (im Donau-Boten vom 11.2.1865: "Xaver Butz fährt jeden Montag, Mittwoch und Freitag und Donatus Deisenberger jeden Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; jedesmal Morgens 6 Uhr von der eigenen Behausung aus"). Die Stellwagen (Gestellwagen) waren Fuhrwerke für etwa zehn bis zwölf Personen mit einem Stoffdach.

Schließlich sei noch aus dem Dillinger Wochenblatt vom Oktober 1840 zitiert über die Eröffnung der ersten größeren Bahnstrecke in Bayern (nach der Strecke Nürnberg - Fürth 1835), nämlich München - Augsburg:
"Augsburg, den 1. Okt. Heute fand die erste Probefahrt mit der Lokomotive 'Jupiter', der vier Personenwagen angehängt waren, von München nach Augsburg statt.
- den 3. Okt. München und Augsburg werden endlich ihre Vermählungsfeier - nach einer langen Verlobung begehen. Das eiserne Band ist fertig ... Künftigen Sonntag den 4. Oktober kommt der Dampf an. Im prachtvollen Blumenschmucke, unter Kanonendonner und Glockengeläute wird sie daher dampfen die langersehnte Lokomotive, und wird Jubel verbreiten über die ganze Bevölkerung Augsburgs und der Umgegend, und der Freude wird kein Ziel und kein Ende sein."
Und schon drei Wochen später wird berichtet:
"Auf der Mitte der Eisenbahn zwischen München und Augsburg wird ein großes Gasthaus errichtet, damit sich die Münchner und Augsburger dort eine Rende-vous auf halbem Wege geben können. Das neue Gasthaus soll alle möglichen Belustigungen in sich vereinigen. Es wird beabsichtiget, auch bei der Nacht auf der Eisenbahn zu fahren, und dann sollen die Hauptbälle für die Münchner und Augsburger schöne Welt in diesem Gasthause gegeben werden."
Bemerkenswert ist hier, dass die Züge in der Anfangszeit der Bahn nur am Tage fuhren (dagegen Postkutschen durchaus auch in der Nacht); neben den bekannten damaligen Vorurteilen gegen die hohe Geschwindigkeit der Züge könnte wohl auch ein Unsicherheitsgefühl der Fahrgäste eine Rolle gespielt haben, die (ohne einen Kutscher in der Nähe zu wissen) alleine im Eisenbahn-Coupé saßen.
Eine in der gleichen Zeitung entdeckte Meldung aus der Regierungszeit von Ludwig I. hat zwar nichts mit der Fahrplänen zu tun, sei aber ebenfalls noch wiedergegeben:
"Se. Maj. der König haben anzuordnen geruht, daß die Schüler überall angewiesen werden sollen, bei Begegnung ihrer Vorgesetzten vor denselben nicht nur den Hut oder die Kappe gehörig abzunehmen, sondern auch hierbei stehen zu bleiben, und daß mit Strenge auf den Vollzug und auf Folgeleistung von Seite der Schüler gehalten werde."
 

Die Vollendung der Donautalbahn bis Donauwörth

Der Donau-Bote vom 15.11.1877 berichtet:
"Mit dem heutigen Tage wurde die letzte Strecke der Donauthalbahn, von Höchstädt a. D. nach Donauwörth 19,23 Kilom. mit den Stationen Tapfheim und Blindheim dem Verkehre übergeben.
In Blindheim waren zur Eröffnung dieser neuen Bahnlinie außer der Bürgerschaft die Schuljugend in Festkleidern zur Begrüßung auf dem Bahnhofe anwesend. In Tapfheim waren außer der zahlreichen Volksmenge ebenfalls die Schulkinder mit bayerischen Fahnen versehen mit ihren Herren Lehrern anwesend, welche nach Eintreffen des Bahnzuges die bayriscehe Nationalhymne anstimmten, welcher sich ein zweites Lied mit Musikbegleitung "Die Wacht am Rhein" anreiht. Als der Bahnzug wieder abfuhr, welcher bei Empfang und bei der Abfahrt mit Böllerschüssen beehrt wurde, und wobei auch die dortige Feuerwehr Spalier bildete, ertönte von den Anwesenden am Bahnhofe ein nicht endenwollendes Hochrufen."
 
Der Fahrplan von 1880 zeigt 4 Fahrten in jede Richtung. Damit konnte man in ca. 5 Stunden von Dillingen aus München erreichen und sogar am gleichen Tage noch zurück kommen. Die Fahrpläne sind in 12-Stunden-Notation gegeben, wobei die unterstrichenen Zeiten Nacht-Zeiten (18-6 Uhr) bedeuten, z. B.:
Donauwörth
Tapfheim
Blindheim
Höchstädt
Steinheim
Dillingen
Lauingen
Gundelfingen
Neu-Offingen
5 20
5 34
5 74
5 58
6   4
6 15
6 26
6 37
6 50
 
Zum Vergleich ein Zug aus dem Fahrplan vom Jahr 2001:
Donauwörth
Tapfheim
Schwenningen
Blindheim
Höchstädt
Dillingen
Lauingen
Gundelfingen
Günzburg
5 19
5 24
5 28
5 31
5 35
5 42
5 46
5 50
6 00
1880 waren die Hauptlinien bereits fertiggestellt. So konnte man z. B. nach Paris oder Moskau mit der Bahn reisen, auch Rundreisebillets wurden angeboten (z. B. München - Innsbruck - Bozen - Mailand - Turin - Florenz - Venedig - Triest - Wien - München). Reisen war offenbar für diejenigen, die es sich leisten konnten, populär geworden.

Ein Studium des Fahrplans zeigt z. B., dass bei einer Abfahrt in Paris um 20.30 Uhr über Strassburg (8.27 Uhr), Stuttgart (13.35 Uhr) und Ulm (Ankunft 16.00 Uhr Stuttgarter Zeit, Abfahrt 16.22 Münchener Zeit) Neu-Offingen um 16.59 erreicht wurde; der Anschlusszug um 17.10 erreichte Dillingen um 18.17. Auch die Uhrzeiten waren damals noch nicht vereinheitlicht. So differierten z. B. Stuttgarter und Münchener Zeit um 10 Minuten. Erst 1893/94 wurde die Mitteleuropäische Zeit eingeführt.
 

Die Glanzzeit der Nebenbahnen

Nach 1880 wurden die Fahrzeiten immer kürzer und die Zahl der Züge mehr, so dass auch bessere Anschlüsse erzielt wurden. Neue Züge, z. B. 1883 der Orient-Express Paris - Constantinopel, wurden eingeführt.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sehr viele Nebenbahnen fertiggestellt, z. B.
1903 Augsburg - Welden (Anfang der 80-er Jahre stillgelegt),
1905 Mertingen - Wertingen (1981 stillgelegt),
1906 Aalen - Dillingen (Härtsfeldbahn, 1972 stillgelegt),
1910 Günzburg - Mindelheim (Mittelschwabenbahn),
1911 Gundelfingen - Sontheim (1956 stillgelegt).

Zu vielen Klein- und Museumsbahnen (auch zum Standort Neuoffingen) sind im Internet ausführlich und liebevoll Informationen dargestellt.

Die Härtsfeldbahn war eine Meterspurbahn. Hier sei nur ein Fahrplanausschnitt aus dem Jahr 1965 gezeigt, aus dem die Haltestationen (z. B. Lauingen Härtsfeldbahnhof) und Fahrzeiten (z. B. von Wittislingen nach Dillingen etwa 20 Minuten) hervorgehen:
Aalen Härtsf Pbf
Aalen Härtsf Gbf
Unterkochen Härtsfeldbf
Waldhausen-Glashütte
Ebnat (Härtsfeld)
Brünstholz
Elchingen
Bärenloh
Dossingen
Neresheim
  8.15 Samstags
  8.18
  8.26
  8.32
  8.43
  8.50
  8.59
  9.03
  9.07
  9.15
Neresheim
Härtsfeldwerke Neresheim
Sägmühle
Iggenhausen
Katzenstein
Dischingen
Guldesmühle
Ballmertshofen
Reistingen
Zioertheim
Wittislingen
Zöschlingsweiler
Lauingen Härtsfeldbf
Hausen (b Dillingen Donau)
Dillingen (Donau)
  9.25 Werktags
  9.32
  9.34
  9.38
  9.42
  9.48
  9.52
  9.57
10.02
10.06
10.18
10.22
10.31
10.36
10.40

Die 9 km lange Bahn vom bayerischen Gundelfingen ins württembergische Sontheim hatte im Volksmund mehrere Namen, z. B. "Gäns-Metzger", da es immer wieder vorgekommen sein soll, dass Gänse bei der Futtersuche auf dem Bahndamm überfahren wurden, oder in Sontheim "Boyerle", da die Bahn Fahrgäste in benachbarte Bayern brachte, oder "Knoblauch-Express", da am Ende des 2. Weltkrieges die Bahn zu Hamsterfahrten genutzt wurde.

Lohnenswert ist auch ein Blick über die Grenzen des Dillinger Landkreises hinaus auf einen Fahrplanausschnitt der Strecke München - Starnberg aus dem Kursbuch 1928. Dort fällt zunächst der Vermerk "Elektrischer Betrieb" auf: Die Eisenbahnen in den Alpen gehörten zu den ersten, die elektrifiziert wurden (denn auf den dortigen Steigungen war der Kohleverbrauch hoch, und die Wasserkraftwerke konnten die benötigte Elektrizität liefern); so war die Strecke Murnau - Oberammergau die erste, die 1905 elektrifiziert wurde; die Strecke Augsburg - Donauwörth wurde erst 1935 elektrifiziert, die Dillinger Strecke 1980.
Bei Betrachtung der Fahrplanspalten bemerkt man außerdem bei manchen Zügen den Hinweis "Nur bei gutem Wetter", woraus ersichtlich ist, dass von den Münchnern die Bahn zum Ausflugsverkehr frequentiert wurde, sowie den Hinweis "Nur an Samstagen, Sonn- und Feiertagen" (solche Samstags-Züge findet man 10 oder 20 Jahre früher nicht), woraus auch auf die beginnende Arbeitszeitverkürzung (freie Samstag-Nachmittage) geschlossen werden kann.
 

Die Zeit um den zweiten Weltkrieg

Aufschlussreich ist ein Vergleich der Fahrplantabellen von 1928 und 1939.
Deutlich ist erkennbar, dass 1928 nur 4 Züge täglich auf der Strecke Neuoffingen - Donauwörth verkehrten, welche eine relativ lange Fahrzeit hierfür benötigten. Grund sind die Reparationszahlungen, die Deutschland nach dem 1. Weltkrieg leisten musste (auch Lokomotiven und Wagenmaterial mussten zum Teil abgegeben werden).
1939 jedoch verzeichnet das Kursbuch 9 Züge täglich mit geringerer Fahrzeit, was darauf schließen lässt, dass Hitlers Machtbestrebungen auch im Eisenbahn-Bereich zu einer Aufrüstung führten.

Im Nachdruck des Kursbuches von 1944 findet man nur an wenigen Stellen Hinweise auf den Krieg (es ist möglich, dass der Verlag, der den Nachdruck besorgt hat, solche Seiten herausgenommen hat). In den Fahrplantabellen findet man gelegentlich Züge mit den Bezeichnungen "DmW" (Schnellzug mit Wehrmachtzugteil) oder "SFR" (Schnellzug für Fronturlauber, z. B. auf der Strecke München - Augsburg - Günzburg - Calais).

Deutlich jedoch sind die Kriegseinwirkungen im Fahrplan für die amerikanische Zone vom Januar 1946 zu sehen. Sofort fällt dort der fehlende Eisenbahnverkehr auf dem Streckenabschnitt von Neu-Offingen bis Gundelfingen auf. Die dortige Donaubrücke war offenbar in den letzten Kriegstagen ebenso wie viele andere Brücken zerstört worden. Ebenso findet man im Kursbuch von 1946 keine Verbindung nach Berlin (sowjetische Besatzungszone).
 

Die Zeit seit 1950

Bereits 1950 fuhren auf der Dillinger Strecke wieder täglich 7 Züge in jede Richtung. Nach Berlin gab es Interzonenzüge, die auch in Leipzig Halt machten (dagegen nach dem Bau der Mauer 1961 nur direkte Korridorzüge; auffällig ist auch, dass z. B. das Kursbuch von 1965 den Begriff "DDR" völlig vermeidet und nur vom "Bereich der Deutschen Reichsbahn" spricht).

Die Streckenstilllegungen einiger Nebenbahnen wurden oben bereits angesprochen. Dagegen gab es nun neue Züge, z. B. den TEE (Trans-Europ-Express, nur 1. Klasse), Züge mit Schreibabteilen, in denen einer Zugsekretärin diktiert werden konnte, Fernzüge mit langen Laufwegen (z. B. dreimal täglich München - Athen, eine Verbindung, die spätestens mit dem Krieg auf dem Balkan eingestellt wurde, aber auch wegen der Konkurrenz durch das Flugzeug unrentabel wurde).
 
 

TEE (Fotos: Strobl)

Griechischer Liegewagen in München Hbf

Dagegen wurden die Züge im Nahverkehr von Berufspendlern immer mehr genutzt: Viele Züge verkehrten nur werktags (w):
Günzburg
Neuoffingen
Gundelfingen (Bay)
Lauingen
Dillingen (Donau)
Steinheim (Donau)
Höchstädt (Donau)
Blindheim
Schwenningen (Bay)
Tapfheim
Donauwörth
5.55 w
6.01
6.08
6.12
6.21
6.25
6.29
6.34
6.37
6.41
6.48
6.53 w
6.59
7.07
7.12
7.18
7.22
7.26
7.33
7.36
7.41
7.48
7.58
8.03
8.09
8.14
8.19
  |
8.25
  |
  |
  |
8.40
11.55 w
  |
12.05
12.10
12.14
    |
12.19
    |
    |
    |
12.33
12.42
12.48
12.55
13.00
13.07
13.11
13.15
13.20
13.23
13.28
13.35
13.45
    |
13.58
14.03
14.08
    |
    |
    |
    |
    |
14.25
An den hier im Fahrplan von 1976 noch genannten Stationen Neuoffingen und Steinheim halten seit 1988 planmäßig keine Züge mehr.

Dagegen hat die Bahn durch Einführung des ICE im Jahr 1991 (im gleichen Jahr erschien erstmals ein gemeinsames Kursbuch der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn) und durch Einführung des Taktfahrplans (auf der Dillinger Strecke im Jahr 1996) ihr Angebot erweitert und attraktiver gemacht, wie die folgende Tabelle zeigt:
 
Jahr 

Von Dillingen nach

1880 2001
Donauwörth 
Fahrzeit 
Anzahl der Verbindungen

1:10 
4

0:23 
Mo - Fr 18, Sa - So 11
München 
Fahrzeit 
Anzahl der Verbindungen

4:55 
4

1:41 (schnellste 1:19) 
Mo - Fr 18, Sa - So 13
Berlin 
Fahrzeit 
Anzahl der Verbindungen

18:03 
2

6:55 (schnellste 6:39) 
Mo - Fr 16, Sa - So 10

Wie sehen die Kursbücher der Zukunft aus? Neben gedruckten Regionalausgaben ist die Fahrplanauskunft im Internet eine nützliche Einrichtung geworden.

Ich danke Herrn Dr. Poppa, der mir im Archiv der Stadt Dillingen Einblick gab in die Zeitungsausgaben aus dem 19. Jahrhundert, sowie Herrn W. Hackel für die Materialien zur Bahnlinie Gundelfingen - Bächingen - Sontheim.
 

  Bahnhof Dillingen 2001 (Foto: Strobl)
 
 

Startseite